Das Dorf Worpswede bei Bremen ist für seine Künstlerszene bekannt – und das sogar weltweit. Denn viele Kunstschaffende haben sich in der Vergangenheit hier niedergelassen, um Malerei, Bildhauerei, Kunsthandwerk, Fotografie oder Ähnlichem nachzugehen. Auch heutzutage noch zieht Worpswede Künstlerinnen und Künstler* an. Wir zeigen Ihnen, wie Worpswede zum Künstlerdorf wurde, welche Sehenswürdigkeiten es dort gibt und welche bekannten Menschen der Kunstszene es hervorgebracht hat.
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Worpswede war lange Zeit ein einfaches Bauerndorf, doch Ende des 19. Jahrhunderts ließen sich die Maler Fritz Mackensen, Hans am Ende und Otto Modersohn hier nieder. Müde von der Industrialisierung suchten sie nach einem ruhigen, naturbelassenen Ort.
Fündig wurden sie in Worpswede im Teufelsmoor. Inspiriert von der schönen Szenerie des Moores, welches die umliegende Landschaft auch damals prägte, sowie vom einfachen Leben und den urigen Bauernhäusern gründeten die drei Maler 1889 die Worpsweder Künstlerkolonie.
Nach und nach kamen immer mehr Künstlerinnen und Künstler* nach Worpswede, sodass die Künstlerkolonie kontinuierlich wuchs.
Übrigens: Das Moor war für die Kunstschaffenden ein Ort der Inspiration, doch die Relevanz von Mooren für das Klima kannten vermutlich nur wenige. Erfahren Sie in unserem Magazin-Artikel Was ist ein Moor? noch mehr darüber.
Natur, Kunst und Kultur – für die Kunstschaffenden damals kam dies alles in Worpswede zusammen. Wovon die Künstlerinnen und Künstler damals inspiriert wurden und wie ihr Alltag damals aussah, das stellt das Dorf heute zur Schau. Auch für Besuchende heute hat Worpswede deshalb immer noch eine ganze Reihe an Besonderheiten zu bieten. Im Folgenden geben wir Ihnen eine Auswahl an Worpsweder Sehenswürdigkeiten, die teilweise noch auf die Zeit der Künstlerkolonie zurückgehen:
1. Worpsweder Käseglocke
Die Käseglocke in Worpswede ist ein Museum, das mit Liebe zum Detail kunsthandwerkliche Ausstellungen aus fast 100 Jahren Worpsweder Geschichte zeigt. Das außergewöhnliche Baudenkmal hat eine skurrile Form mit runden Außenwänden, welche dem Gebäude auf dem Weyerberg den kuriosen Namen verschaffte. Es wurde 1926 vom Schriftsteller Edwin Koenemann am Rand der Marcusheide erbaut, der Entwurf stammt vom Architekten Bruno Traut.
Das Kaffee Worpswede aus Sicht der großen Kunstschau
2. Kaffee Worpswede (geplante Wiedereröffnung 2025)
Das Kaffee Worpswede ist ein Wahrzeichen für das Künstlerdorf Worpswede und zeichnet sich durch die außergewöhnliche Architektur aus, die sich keiner festen Stilrichtung zuordnen lässt. Weil beim Bau auf Schrauben und Nägel verzichtet und mit unregelmäßig eingesetzten Ziegelsteinen gearbeitet wurde, wurde das Bauwerk nach der Fertigstellung 1925 oft kritisiert und als „Kaffee Verrückt“ bezeichnet.
Der Spitzname sollte die Leute zwar abschrecken, zog sie aber eher noch mehr an. Der Architekt Bernhard Hoetger störte dieser Spitzname reichlich wenig. Ein Zitat von ihm am Kaffee spiegelt sein Gemüt gut wider: „Wer’t mag de mag’t; un wer’t nich mag, mag jo woll nich mögen.“ Frei übersetzt bedeutet es so viel wie: „Wer es mag, der mag es; und wer es nicht mag, der mag es eben nicht.“
Seit 2018/19 ist das Kaffee nicht mehr geöffnet und es finden Renovierungsarbeiten statt. Laut Planung soll es im Jahr 2025 wieder eröffnet werden.
Übrigens: Bernhard Hoetger war Bildhauer und Architekt und entwarf unter anderem auch die Böttcherstraße in Bremen.
3. Große Kunstschau
Die Große Kunstschau in Worpswede ist ein Museum, das 1927 von Bernhard Hoetger entworfen wurde. Das Gebäude kombiniert Elemente des Expressionismus mit organischen Formen. Ursprünglich konzipiert, um die Werke der Worpsweder Künstlerkolonie zu präsentieren, beherbergt es heute eine Sammlung klassischer und zeitgenössischer Kunst unter anderem von Paula Modersohn-Becker und Otto Modersohn. Besonders bekannt ist außerdem die liebevoll als „Bonze des Humors“ bezeichnete lachende Budda-Statue, die sich ebenfalls auf dem Gelände befindet und teilweise als Wahrzeichen der Stadt genutzt wird.
4. Barkenhoff (Heinrich-Vogeler-Museum)
Der Barkenhoff in Worpswede wurde 1894 von dem Künstler Heinrich Vogeler erworben und umgebaut. So entwickelte sich der ehemalige Bauernhof zum Dreh- und Angelpunkt der Künstlerkolonie. Heute dient das Gebäude als Veranstaltungsraum für kulturelle Angebote und Kunstausstellungen und beherbergt das Heinrich-Vogeler-Museum.
5. Haus im Schluh
Ein beliebter Ort im Künstlerdorf Worpswede ist das Haus im Schluh, welches 1920 von der Ehefrau von Heinrich Vogeler, Martha Vogeler, errichtet wurde. Nachdem sie aufgrund einer Beziehungskrise mit ihren drei Töchtern den Barkenhoff verlassen hatte, entstand das Fachwerkhaus im Schluh. Sie nutzte das neue Zuhause als Atelier und gründete zusätzlich noch eine Handweberei sowie eine Pension. Trotz der Beziehungskrise und der späteren Trennung von Heinrich Vogeler stellte Martha die frühen Werke ihres Mannes aus. Das Wohnhaus, die Weberei und die Pension können noch heute besucht werden.
Das Haus im Schluh
Casa di mobili, ein Einrichtungsgeschäft in einem der alten Worpsweder Reethäuser
6. Worpsweder Kunsthalle
Die Worpsweder Kunsthalle wurde 1919 gegründet und zählt zu den ältesten privaten Kunstmuseen in Deutschland. Sie entstand durch die Initiative von Friedrich Netzel, der einen Ort schaffen wollte, an dem die Werke der Worpsweder Künstler dauerhaft präsentiert werden können. Seine Söhne taten es ihm gleich und stellten ebenfalls Werke aus, die die Kunstschaffenden im Künstlerdorf Worpswede schufen.
7. Niedersachsenstein
Der Niedersachsenstein in Worpswede ist eine 18 Meter hohe, rote Ziegelsteinstatue, die 1935 errichtet wurde und einen Vogel symbolisiert. Der Niedersachsenstein wurde genau wie das Kaffee Worpswede von Bernhard Hoetger erbaut.
Der Stein ist ein historisches Denkmal, das an die gefallenen Soldaten des Ersten Weltkriegs aus der Region erinnert. Doch das war nicht immer so: 1914 wurde das Kunstwerk als Siegesdenkmal für den Krieg geplant. Aufgrund von Verzögerungen und den allgemeinen Kriegsverlauf wurde diese Idee dann abgeändert. Wegen der anfänglichen positiven Haltung im Hinblick auf den Krieg steht der Niedersachsenstein immer wieder in der Kritik.
Übrigens: Wussten Sie, dass es in Worpswede die Worpsweder Dorfmusikanten gibt? Diese Bronzeskulptur ist eine humorvolle Abwandlung der Bremer Stadtmusikanten von den Gebrüdern Grimm. Statt Esel, Hund, Katze und Hahn zeigt sie Schwein, Schaf, Hase und Taube.
Die Liste der Künstlerinnen und Künstler*, die in Worpswede Inspiration für ihre Kunst sowie ein Zuhause fanden, ist lang. Daher hier einmal eine Auswahl der wohl bekanntesten Kunstschaffenden aus Worpswede:
Hans am Ende (Maler)
Der Maler Hans am Ende vereinte Realismus und Symbolismus. Seine Werke waren oft inspiriert von der ländlichen Natur Worpswedes. Er ist Gründungsmitglied der Künstlerkolonie Worpswede.
Bernhard Hoetger (Bildhauer, Architekt)
Hoetger erbaute unter anderem das berühmte Kaffee Worpswede und den Niedersachsenstein. Sein avantgardistischer Stil sorgte für Aufsehen und bereicherte die künstlerische Vielfalt des Dorfes. Hoetger ist ebenfalls Gründungsmitglied der Künstlerkolonie.
Fritz Mackensen (Maler)
Mackensen war entscheidend für die Etablierung von Worpswede als Kunstzentrum. Viele seiner Werke zeigen die weite Moorlandschaft und bäuerliche Lebenswelt der Region. Auch Mackensen zählt zu den Gründungsmitgliedern der Künstlerkolonie.
Otto Modersohn (Maler)
Otto Modersohn schuf stimmungsvolle Landschaftsbilder. Besonders seine Bilder mit dem Teufelsmoor zählen zu den bekanntesten Werken der Worpsweder Kunst. Er war der Ehemann von Paula Modersohn-Becker und ist ein weiteres Gründungsmitglied der Künstlerkolonie Worpswede.
Paula Modersohn-Becker (Malerin)
Die Malerin Paula Modersohn-Becker war eine der bedeutendsten Künstlerinnen der Moderne, deren einzigartige Porträts und Stillleben noch heute Interessierte anziehen. Außerdem gilt sie als eine der ersten Frauen, die Aktbilder von Frauen malte. Zu einer Sehenswürdigkeit ist zudem ihr öffentlich zugängliches Grab auf dem Worpsweder Friedhof geworden, da das lebensgroße Grabmal von Bernhard Hoetger gefertigt wurde.
Rainer Maria Rilke (Schriftsteller)
Obwohl er nicht dauerhaft in Worpswede lebte, war Rilke durch seine Ehefrau Clara Rilke-Westhoff und seine Freundschaft zu Paula Modersohn-Becker eng mit der Künstlerkolonie verbunden. Seine Werke spiegeln oft die Inspiration der Worpsweder Landschaft wider.
Heinrich Vogeler (Maler, Designer, Schriftsteller)
Heinrich Vogeler baute den Barkenhoff zum kulturellen Zentrum der Künstlerkolonie um und legte somit den Grundstein für das Künstlerdorf Worpswede. Seine Jugendstil-Werke und die sozialreformerischen Ansätze machten ihn zu einem der wichtigsten Künstler in Worpswede.
Martha Vogeler (Künstlerin und Gründerin)
Martha Vogeler gründete das Haus im Schluh, eine Handweberei und Pension, und trug durch ihr künstlerisches und organisatorisches Talent zur Worpsweder Kunstszene bei. Sie war bis 1926 die Ehefrau von Heinrich Vogeler.
Auch wenn Worpswede überregional vor allem für die Künstlerkolonie bekannt ist, gibt es neben dem kulturellen Angebot auch eine faszinierende Landschaft. Genau diese war es schließlich, welche die Kunstschaffenden ursprünglich nach Worpswede gezogen hat. Als Erholungsort ist Worpswede sogar staatlich anerkannt, weshalb im Ortskern viele Geschäfte auch sonntags geöffnet sind. In und um Worpswede herum gibt es z.B. noch folgendes zu sehen:
1. Weyerberg
Exakt 54,4 m misst der Weyerberg. Auch wenn der Name etwas übertrieben klingt, im sonst flachen Teufelsmoor fällt der Berg durchaus auf. Laut örtlicher Fabeln wurde er erschaffen, als ein Riese den Sand aus seinen zu schweren Taschen leerte. Auf seiner Spitze steht heute der Niedersachsenstein, der Weg hinauf lohnt sich aber auch wegen der schönen Landschaft.
2. Hammehafen
Die Hamme diente schon den Kunstschaffenden der Kolonie als Inspiration für ihre Werke. Heute werden am Hammehafen vor allem auch Torfkahnrundfahrten angeboten. Bei schönem Wetter lässt sich so das Idyll des Flusses besonders gut genießen.
3. Music Hall Worpswede
Die Music Hall Worpswede gibt es seit über 30 Jahren und seitdem hat sie sich als Konzert- und Veranstaltungszentrum national und auch international einen Namen gemacht. Geschätzt wird die besonders persönliche, fast familiäre Atmosphäre. Das Programm ist dabei sehr abwechslungsreich und reicht von Gruppen wie Torfrock über Ulrich Tukur zu internationalen Blues-Ensembles.
Neben dem Künstlerdorf Worpswede wird in Bremens Umgebung oft von einem weiterem Künstlerdorf gesprochen, dem Künstlerdorf Fischerhude. Bekannt für seine idyllische Landschaft mit Wiesen, Flussläufen und reetgedeckten Fachwerkhäusern, zog auch Fischerhude Anfang des 20. Jahrhunderts zahlreiche Künstlerinnen und Künstler an.
Zum besonderen Status des Dorfes Fischerhude trug bei, dass es als Rückzugsort für die Kunstschaffenden aus Worpswede galt. So schätzten besonders Clara Rilke-Westhoff und Fritz Overbeck das östlich von Bremen gelegene Dorf als Zuflucht. Auch der Maler Otto Modersohn fand in Fischerhude ein neues Zuhause, nachdem seine Frau Paula Modersohn-Becker verstarb.
Türklinke in Fischerhude
* Wir leben Diversität und heißen alle Menschen willkommen, unabhängig von Herkunft, Geschlecht, Behinderung und Identität. Wir sind davon überzeugt, dass uns Vielfalt bereichert und im gemeinsamen Arbeiten voranbringt. Deshalb haben wir 2017 die Charta der Vielfalt unterzeichnet.