Stimmen aus aller Welt, spannende Reportagen, anrührende Schicksale: Radio-Geschichten sind wie Kino für die Ohren. An jedem ersten Mittwoch im Monat präsentieren Beate Hoffmann und Charly Kowalczyk um 19:30 Uhr ein Radio-Feature im Alten Fundamt, Auf der Kuhlen 1A, 28203 Bremen. Der Eintritt frei. Weitere Informationen zu den Terminen und zu den Hygienebedingungen sind zu finden auf www.bremer-hoerkino.de.
Veranstaltet von
Beate Hoffmann und Charly Kowalczyk
Bremer Medienbüro
Elsasser Straße 27
28211 Bremen
7. Februar 2024, 19.30 Uhr
von Ute Lieschke / SWR/DLF, 2022
Marco wächst als fast einziges schwarzes Kind in den 70er-Jahren in Karl-Marx-Stadt auf. Behütet, in einer Familie mit Geschwistern, Vater und Mutter scheint ihm nichts zu fehlen. Wären da nicht die abwertenden Kommentare über seine Hautfarbe. Nach seiner Geburt treffen diese zuerst seine Mutter, später ihn. Eine konkrete Antwort auf die Frage „Wieso sehe ich eigentlich anders aus” gibt es vorerst nicht. Erst als Marcos beide Töchter – die eine mit weißer, die andere mit schwarzer Hautfarbe – anfangen, Fragen zu stellen, macht er sich auf die Suche nach seiner Geschichte.
Ute Lieschke, in Leipzig geboren, schreibt als freie Autorin für Musikmagazine und ist für Radiofeatures gern in Ostdeutschland und dessen Geschichte unterwegs. Für ihr Feature “Welcome Home Dr. Marco” erhielt sie 2023 den Civis Audio Award.
6. März 2024, 19:30 Uhr
von Martina Keller / ARD Radiofeature, Produktion WDR, 2024
Gesundheitsminister Karl Lauterbach plant eine „Revolution“: weniger und dafür bessere Kliniken. Konkret heißt das, dass nicht mehr jede kleine Klinik alles machen darf, z.B. bestimmte Krebsoperationen durchführen. In der Praxis heißt das aber auch: Hunderte kleine Krankenhäuser müssen wohl schließen oder werden zu ambulant-stationären Versorgungszentren umgebaut.
Unterstützung erhält Lauterbach von zahlreichen Wissenschaftlern, die sagen: So wie jetzt kann es nicht weitergehen. Die deutsche Krankenhausstruktur ist mehr als 100 Jahre alt und passt nicht mehr zur modernen, spezialisierten Medizin. Doch die Deutschen lieben ihr kleines Krankenhaus vor Ort und bezahlen diese Vorliebe nicht selten mit dem Leben. Ob Herzinfarkt, Schlaganfall oder Krebs: Studien zeigen, dass in großen spezialisierten Kliniken die Überlebenschancen besser sind als im Krankenhaus um die Ecke.
Dennoch machen zahlreiche Interessengruppen gegen die „Revolution“ mobil: Die Länder pochen auf ihre Planungshoheit, prüfen Klagen, fordern Ausnahmeregelungen. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft propagiert die „Alarmstufe rot“, will erst mehr Geld, dann die Reform. Bürgerinitiativen kämpfen um jedes Bett. Überall im Land formieren sich Bündnisse gegen Klinikschließungen. Landräte, Bürgermeister und Bundestagsabgeordnete demonstrieren zusammen mit Klinikpersonal und verdi-Aktivisten.
Wie begründet sind die Ängste? Ist es am Ende vor allem ein Streit um Geld? Was wird von Lauterbachs „Revolution“ am Ende übrigbleiben? Und was bedeutet das für Millionen von Patientinnen und Patienten? Diesen Fragen geht das ARD radiofeature nach.
3. April 2024, 19:30 Uhr
von Maike Hildebrand / Hessischer Rundfunk/Deutschlandfunk, 2024
Im bayerischen Oberallgäu bewirtschaftet eine Familie ihren Bauernhof mit 25 Milchkühen. Der Alpsee liegt vor der Tür und die Berglandschaft lockt viele Touristen an. Im Schweizer Bergeller Tal baut ein junges Paar Esskastanien an, hält Ziegen, Schafe und Esel. Das Tal ist schroff und schmal, und die beiden betreiben eine traditionelle Landwirtschaft mit viel Handarbeit. Im italienischen Veltliner Tal kultiviert ein Paar alte Sorten, die früher in den Alptälern verbreitet waren. Sie retten Kartoffeln, Buchweizen und Roggen vor dem Aussterben. Der Geologe und Alpenforscher Werner Bätzing kennt den Wert der Berglandwirtschaft. Sie erhält die typische alpine Landschaft mit ihrer Vielfalt an Pflanzen und Tieren, und sie ist nachhaltig. Was kann ihren Rückgang stoppen? Die Autorin besucht die drei Höfe im Frühjahr, Sommer und Herbst.
1. Mai 2024, 19:30 Uhr
von Jörn Klare / NDR, 2024
Ich bin etwas beunruhigt. Nein, ich mache mir Sorgen. Genauer: Ich habe Angst. Obwohl ... es ist eher Panik. Es geht um die Entwicklungen der auf künstlicher Intelligenz basierenden Systeme. Die Möglichkeit mit einfachen Sprachbefehlen innerhalb weniger Sekunden wissenschaftliche Facharbeiten, Bildwelten, Lieder, Stimmen, Dialogsysteme und was weiß ich nicht alles zu kreieren. Auch ich weiß noch nicht, ob deswegen die Welt untergeht, doch ich bin mir wie viele andere sicher, dass unserer Arbeitswelt eine Revolution bevorsteht. Eine Revolution, die auch mich betrifft. Wird sie mich fressen.
5. Juni 2024, 19:30 Uhr
von Senta Höfer / DLF Kultur, 2023
2020 brachte Covid rumänische Beschäftigte beim Fleischkonzern Tönnies in die Schlagzeilen. Nach kurzer Zeit war das Medieninteresse wieder erloschen. Dieses Feature lässt sie zu Wort kommen: kein Werksreport, sondern Begegnungen mit Menschen.
Im Frühjahr 2020 erkranken in den Sammelunterkünften der Firma Tönnies in und um Rheda-Wiedenbrück hunderte Schlachthofarbeiter:innen an Covid19. Die deutschen Medien berichten ausführlich. Politker:innen, Gewerkschafter:innen und Firmenvertreter:innen diskutieren in Nachrichtensendungen, Reportagen und Talkshows. Die Arbeiter:innen kommen so gut wie gar nicht zu Wort. Auf die Frage (an einen Journalisten), warum das wohl so sei, kommt die Antwort: wahrscheinlich Sprachprobleme.
Die Autorin Senta Höfer kommt selbst aus Rumänien. In den wenigen O-Tönen, die in den Berichten eines Deutschlandfunk-Reporters zu hören sind, versucht sie, unter dem Voiceover die Aussagen der rumänischen und bulgarischen Arbeiter:innen zu verstehen. Dann spricht sie mit ihnen, in Deutschland und Rumänien. Und sie erzählen: von ihrem Leben in den Schlachthöfen – und ihren anderen Leben, zu Hause. Dabei zeigen sich Menschen und Schicksale, nicht bloß Arbeitskräfte, über deren Arbeitslohn und -stunden verhandelt wird – von ihren Arbeitgeber:innen, den Subunternehmer:innen, aber auch von den Gewerkschafter:innen und den Aktivist:innen, die ihnen helfen wollen, ihre Rechte zu vertreten und die Arbeitsbedingungen zu verbessern.
4. September 2024, 19:30 Uhr
von Yasmina Hamlawi, Deutsche Fassung: Annika Erichsen / SWR, 2023
Fos hat lange geglaubt, die Geschlechtsorgane aller Frauen seien gleich: verstümmelt und zugenäht. Denn in Somalia, wo sie geboren wurde, war das so. Ihr Leben wurde von der Dorfgemeinschaft, ihrem Vater und später ihrem Ehemann bestimmt. Doch Fos hat es geschafft, diesem Schicksal zu entfliehen. Heute lebt sie in Belgien, wo sie sich einer Operation unterzogen hat, um den Körperteil zu rekonstruieren, den sie ihre Perle nennt: die Klitoris.
"Perle" wurde beim Prix Europa als "beste europäische Radiodokumentation 2022" ausgezeichnet.
2. Oktober 2024, 19:30 Uhr
von Martina Groß / DLF Kultur, 2021
Es beginnt mit einem harmlosen Chat im Netz. Geht weiter mit einer (vermeintlichen) Liebesgeschichte. Und endet mit einer zerstörten Existenz. Die Geschichte eines „Romance Scams“.
Im Herbst 2017 fing es an. Mit einem Fehlläufer ihrer Email. Sagt sie. Sie, das ist Madi, eine Französin, die in Burkina Faso lebt. Er, das ist M., ein Witwer in Berlin. Es entwickelte sich ein reger Chatverkehr. Sie verliebten sich. Sie will ihn in Deutschland besuchen. Er schickt Geld. Doch immer kommt etwas dazwischen, das ihr Kommen verhindert. Er schickt mehr Geld und mehr und mehr. Am Ende ist er verschuldet, kann seine Miete nicht mehr bezahlen und wird krank. Aber er ist abhängig von ihrem täglichen Kontakt. In einem ihrer letzten Chats fragt sie ihn: „Bist Du wütend auf mich?“ Er antwortet: „Nein, ich bin nicht wütend, sondern nur traurig, dass es Dir nur ums Geld ging.“ Aber es gab kein „Dir“. „Dir“, das war eine Bande professioneller Betrüger.
M. ist eines der Tausenden von Opfern eines Romance Scams geworden. Die Autorin ist seine Schwester und hat Zugang zu seinen Chats. Sie begibt sich auf die Suche nach einer Antwort auf die Frage, wie und warum so viele Menschen Opfer von organisiertem Liebesbetrug werden.
6. November 2024, 19:30 Uhr
von Wilfred Huismann / WDR, 2023
Der Sturz des frei gewählten sozialistischen Präsidenten Salvador Allende durch das chilenische Militär bewegte im September 1973 die Welt. Waren ehemalige deutsche SS- und Gestapo-Offiziere, die nach dem Zweiten Weltkrieg nach Südamerika flüchten konnten, in den blutigen Staatsstreich von General Pinochet verwickelt? Walther Rauff war SS-Standartenführer und im Reichssicherheitshauptamt zuständig für die Vernichtung der europäischen Juden. Seit 1956 lebte er in Chile – als Geschäftsführer einer Fischfabrik. 1958 wurde er vom Bundesnachrichtendienst rekrutiert, um »die Ausbreitung des Kommunismus auf dem amerikanischen Subkontinent möglichst zu verhindern.«
Bisher war wenig bekannt über die Rolle deutscher Nazis. Der Autor geht in Chile mit dem einzigen Foto von Rauff auf Spurensuche: Sein Deckname war »Schakal«, er gehörte zum inneren Führungszirkel der DINA, der chilenischen Geheimpolizei und war an der »Endlösung der Kommunistenfrage« beteiligt.
Wilfried Huismann lebt als freier Journalist und Drehbuchautor in Bremen. Er hat als Autor und Regisseur an vielen Dokumentarfilmen mit internationalen politischen Themen mitgewirkt.
4. Dezember 2024, 19:30 Uhr
von Manfred Götzke / DLF, 2023
Aimée van Baalen hat ihre Träume von einem Kunststudium aufgegeben. In einer Plus-3-Grad-Welt habe das keinen Sinn mehr, sagt sie. Die 23-Jährige ist Vollzeitaktivistin bei der Letzten Generation, rekrutiert neue Mitglieder und sitzt fast wöchentlich in Talkshows und Podiumsdiskussionen. Sie bekommt viel Zuspruch, aber immer wieder muss sie sich rechtfertigen – auch in der eigenen Familie. Morddrohungen gehören für sie zum Alltag.
Unser Autor Manfred Götzke hat die junge Frau begleitet. Was treibt sie an, ihren Stachel immer wieder in die bürgerliche Selbstzufriedenheit zu stecken? Und gibt es Momente des Zweifels, ob der eingeschlagene Weg der Richtige ist?
Manfred Götzke, Journalist, Studium an der Technischen Universität Dortmund. Abschluss 2008 als Diplomjournalist. Arbeitet beim Deutschlandfunk als Moderator und Reporter.