Als Energy Harvesting („Energie ernten“) bezeichnet man die Gewinnung kleiner Mengen elektrischer Energie aus Quellen wie Umgebungstemperatur, Vibrationen, Licht oder Luftströmungen. Die „geerntete Energie“ ist sehr gering, weshalb Energy Harvesting meist für Mikroelektronik verwendet wird. Ein bekanntes Beispiel ist der Solar-Taschenrechner und seine autarke Energieversorgung. Dieser gewinnt Energie aus Licht und benötigt weder eine Batterie noch externen Strom. Aber welche Arten von Energy Harvesting gibt es? Und welche Einsatzmöglichkeiten gibt es für Energy Harvesting?
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Inhalt:
Energy Harvesting bedeutet, kleine Mengen an Strom aus Umgebungstemperatur, Vibrationen, Licht oder Luftströmungen zu gewinnen und nutzbar zu machen. Die geringen Mengen an Energie entstehen dabei durch verschiedene physikalische Effekte.
a. Piezoelektrizität
Die Piezoelektrizität, auch Piezoeffekt, entsteht durch die mechanische Verformung von piezoelektrischem Material. Dieses Material erzeugt unter Druck oder beim Verbiegen elektrische Ladungen. So wird z.B. durch Erschütterungen oder Vibrationen eine winzige Menge an Strom erzeugt, die genutzt werden kann.
Beispiel:
Diese Technologie findet sich in piezoelektrischen Feuerzeugen wieder. Der Druck des Fingers auf der Druckfläche des Feuerzeugs erzeugt genug Energie, um einen Funken zu kreieren, wodurch das Feuerzeug entzündet wird.
b. Photoelektrizität
Bei Photoelektrizität werden aus einem bestimmten Material, wie z.B. Silizium, Elektronen freigesetzt, wenn dieses von Licht bestrahlt wird. Dieser Effekt tritt aufgrund der Wechselwirkung von Photonen mit den Elektronen auf. Die freigesetzten Elektronen können dann in einem Stromkreis verwendet werden, um Energie zu erzeugen.
Beispiel:
In Solarzellen von Photovoltaik-Anlagen wird der photoelektrische Effekt genutzt, um Sonnenlicht in elektrische Energie umzuwandeln. Wenn Photonen aus Sonnenlicht auf die Solarzelle treffen, lösen sie Elektronen aus dem Material und erzeugen Strom. Mehr dazu erfahren Sie in unserem Artikel Wie funktioniert Photovoltaik?
c. Thermoelektrizität: Seebeck-, Peltier- & Thomson-Effekt
Thermoelektrische Effekte treten auf, wenn es einen Temperaturunterschied zwischen zwei miteinander verbundenen Materialien gibt und eine elektrische Spannung entsteht. Durch die elektrische Spannung wird in den Materialien Wärme generiert bzw. entzogen.
1 Seebeck-Effekt
Dieser Effekt beschreibt die Erzeugung einer elektrischen Spannung, wenn sich zwei unterschiedliche Materialien mit unterschiedlichen Temperaturen berühren oder miteinander verbunden werden. Draht A (heiß) und Draht B (kalt) bestehen aus unterschiedlichen Materialien und werden miteinander verbunden. Aufgrund des Seebeck-Effekts wird eine elektrische Spannung am Verbindungspunkt von Draht A und Draht B erzeugt.
2 Peltier-Effekt
Dieser Effekt erzeugt einen Wärmeaustausch, der durch die Verbindung von zwei unterschiedlichen Materialien mit unterschiedlichen Temperaturen stattfindet. Wenn elektrischer Strom von Draht A (heiß) zu Draht B (kalt) fließt, wird Wärme von Draht A zu Draht B übertragen. Draht A wird abgekühlt, Draht B wird erhitzt.
3. Thomson-Effekt
Der Thomson-Effekt beschreibt die Erzeugung eines elektrischen Stroms in einem Leiter, wenn ein Temperaturgradient entlang des Leiters vorhanden ist. Wenn der Leiter an einem Ende heißer ist als am anderen, wird elektrischer Strom erzeugt. Im Gegensatz zu den Peltier- und Seebeck-Effekten, die an der Verbindungsstelle zweier unterschiedlicher Materialien auftreten, tritt der Thomson-Effekt innerhalb eines einzelnen Materials auf.
Alle drei Effekte sind wichtige Prinzipien der Thermoelektrizität und werden in verschiedenen Anwendungen genutzt, um entweder elektrische Energie aus Temperaturunterschieden zu gewinnen oder Wärme von einem Ort zum anderen zu transportieren.
Beispiele:
Der Seebeck-Effekt wird in Kraftwerken verwendet, um Wärme in Energie umzuwandeln.
Der Peltier-Effekt wird in thermoelektrischen Kühl- und Heizgeräten verwendet, um Wärme von einem Ort zum anderen zu transportieren.
Der Thomson-Effekt wird für die Entwicklung von thermoelektrischen Materialien verwendet, um die Abwärme bei Fahrzeugen zu nutzen.
Energy-Harvesting-Systeme, meist nur Energy Harvester genannt, können mit Umgebungstemperatur, Vibration, Licht, Luftströmungen etc. betrieben werden. Dies wird sich u.a. in folgenden Bereichen zunutze gemacht:
Die Vorteile von Energy-Harvesting-Systemen sind, dass sie eine komplett autarke Stromversorgung mit hoher Effizienz aufweisen, sie kabel- und batterielos Geräte betreiben können und sehr wartungsarm oder sogar wartungsfrei sind, da sie keine beweglichen Teile beinhalten und robust für eine lange Lebensdauer gebaut sind. Dies ermöglicht eine höhere Einsatzflexibilität, besonders bei schwer zugänglichen Orten.
Die Probleme von Energy-Harvesting-Systemen sind, dass sie hohe anfängliche Investitionskosten aufweisen, die Herstellung zuverlässiger technischer Energy-Harvesting-Systeme herausfordernd ist und sie abhängig von Licht, Vibration, Wärme etc. sind.
Tipp: Energy Harvesting könnte besonders für Daten- und Informationsübertragungssysteme wie LoRaWAN interessant sein. In diesem Artikel erfahren Sie, was LoRaWAN ist.
In Frankreich wurde das Potenzial von Energy Harvesting im Rahmen eines großen Projektes der Europäischen Union getestet. Der „Trott-Élec“, der elektrische Bürgersteig, sollte bei der Stromversorgung helfen.
Die Stadt Toulouse probierte, die Energie der Schritte der Passanten zu nutzen, um damit Strom zu erzeugen. Dank des Piezoeffekts wurde unter den leicht beweglichen Bodenplatten die Vibrationsenergie der Schritte in Strom umgewandelt.
So versorgten die Schritte der Passanten indirekt einen Teil der Straßenbeleuchtung der Stadt mit Strom. Die geringe Menge an generiertem Strom wurde durch die hohe Anzahl der Passanten ausgeglichen.
Auch wenn Energy Harvester nur geringe Mengen an Strom erzeugen, so gibt es dennoch sinnvolle Einsatzmöglichkeiten. Im Bereich von Photovoltaik wird das Potenzial bereits großflächig genutzt. Ob Energy Harvesting auch noch in anderen Bereichen an Bedeutung gewinnen wird, bleibt abzuwarten.
* Wir leben Diversität und heißen alle Menschen willkommen, unabhängig von Herkunft, Geschlecht, Behinderung und Identität. Wir sind davon überzeugt, dass uns Vielfalt bereichert und im gemeinsamen Arbeiten voranbringt. Deshalb haben wir 2017 die Charta der Vielfalt unterzeichnet.