Ob leerstehende Fabrikhallen oder ehemalige Villen – Lost Places gibt es an vielen Orten. Dabei können die Ursachen für das Entstehen der verlassenen Orte sehr unterschiedlich sein – vom schlichten Wegzug bis hin zum Bankrott der Vorbesitzenden. Aus dem einen oder anderen Grund bleiben die Gebäude leer und entwickeln nach einiger Zeit ihren ganz eigenen, teilweise düsteren Charme. Alles Wissenswerte über die Lost Places in Bremen und die Faszination dieser verraten wir Ihnen in diesem Artikel.
Inhalt:
“Lost Place” kann übersetzt so viel wie „verlassener“ oder „vergessener Ort“ heißen. Häufig sind Lost Places Fabriken, Industrieanlagen, Krankenhäuser, Schwimmbäder, unfertige Bauwerke, Bunker, alte Ruinen etc. Die Gebäude werden oft aus baurechtlichen oder finanziellen Gründen zu einem Lost Place. Das Reizvolle daran ist häufig ein gewisser historischer oder kultureller Wert – und natürlich der anmutende Verfall. Lost Places sind daher beliebte Ziele für Fotografierende, Geschichtsinteressierte und Urban Explorer.
Urban Explorer, auch „Urbexer“ oder nur „Urbex“, werden die Menschen genannt, die es zu ihrem Hobby gemacht haben, Lost Places zu erkunden. Rund um diese Leidenschaft hat sich eine große Gemeinschaft gebildet: die Urbex Elite. Diese hat festgeschriebene Regeln, die den Urban Explorern wie ein Kodex vorschreibt, was sie dürfen und was nicht. Eine der bekanntesten Regeln heißt: „Nimm nichts mit außer Fotos. Hinterlasse nichts als Fußspuren. Töte nichts als Zeit.“ (Englisch: Take nothing but pictures. Leave nothing but footprints. Kill nothing but time.).
1. Lost Place: Garagenbunker (Hauptbahnhof)
Dieser versteckte Ort in Bremen sieht von außen aus wie die Zufahrt zu einer Tiefgarage. In Wirklichkeit ist dies jedoch der Zugang zu einem Bunker – und zwar Bremens Garagenbunker. Der am Hauptbahnhof liegende Bunker wurde für 900 Personen konzipiert und in den 1980er Jahren für ABC-Angriffe (Schutz vor atomaren, biologischen und chemischen Gefahren) nachgerüstet. In der Nachkriegszeit diente er u.a. als Obdachlosenheim und als Parkplatz für Behördenfahrzeuge. Heute kann der Bunker nur bei speziellen Führungen besichtigt werden.
2. Lost Place: Güldenhaus-Gebäude (Neustadt)
Dieser verlassene Ort in Bremens Neustadt ist die Schnapsfabrik der Firma Güldenhaus. Die Wurzeln der Firma gehen dabei bis ins Jahr 1818 zurück. Die Produktion der Spirituosen fand bis 1999 erfolgreich statt, doch danach wurden die größten Teile der Fabrik stillgelegt. Die Produktion wurde 2015 wieder aufgenommen – allerdings im Stadtteil Schwachhausen, womit das Gebäude selbst weiter leer steht.
3. Lost Place: Kaffee HAG (Überseestadt)
Das Unternehmen Kaffee HAG stellte ab 1907 weltweit als erstes entkoffeinierten Kaffee in seinen Fabriken in der Bremer Überseestadt her. 80 Jahre lang feierte das Unternehmen Erfolg mit seinen Produkten, bis 1987 schlussendlich die Produktion größtenteils eingestellt und dann komplett ausgelagert wurde. Seitdem steht das Gebäude mit wenigen Ausnahmen leer und ist einer der bekanntesten Lost Places in Bremen geworden.
4. Lost Place: Kellogg’s-Gelände (Überseestadt)
Die Fabrik von Kellogg’s in Bremen, in der bis 2017 die bekannten Cornflakes hergestellt wurden, war nur für eine kurze Zeit ein Lost Place. 2019 bekamen das Gelände und die alte Fabrik eine neue Bestimmung, als die Bauarbeiten für ein Hotel, Wohnungen und Geschäfte begonnen wurden.
Tipp: In der Überseestadt gibt es eine Menge zu sehen und jährlich findet dort vor dem Alten Zollamt das Überseefestival statt.
5. Lost Place: Bunker Valentin (Bremen Rekum)
Die Ruine der ehemaligen U-Boot-Werft der deutschen Kriegsmarine aus dem Zweiten Weltkrieg befindet sich in nördlichen Stadtteil Rekum. Die Decke und Wände des Bunkers sind bis zu sieben Meter dick, da er allen möglichen Angriffen standhalten sollte. Wer ausführliche Informationen rund um die Vergangenheit des Lost Places in Bremen Rekum erhalten möchte, kann an kostenpflichtigen Führungen teilnehmen. Ansonsten kann der Bremer Bunker auch kostenlos besucht werden.
6. Lost Place: Kino Scala (Bremen Vegesack)
Zu Bremens Lost Places gehört auch das Kino „Scala“ in Vegesack. Zwar ist es voller Staub und Spinnenweben, aber dennoch komplett eingerichtet und noch voll funktionsfähig. In den 50er Jahren war das Scala ein viel besuchtes Kino und auch weit über den Stadtteil hinaus bekannt und beliebt. Heute hängen dort nur noch die alten Kinoplakate – Filme laufen nicht mehr. Vor mehr als 30 Jahren wurde das Kino geschlossen und ist seither ein Lost Place.
Übrigens: Auch in Sebaldsbrück gab es bis 2012 einen Lost Place: ein Krankenhaus. Das Gebäude wurde 2003 verlassen und stand somit neun Jahre leer. Doch dann wurde das Gebäude abgerissen und auf dem Gelände wurden neue Reihenhäuser gebaut, die bis heute dort stehen.
Geistervilla (Verden)
In Verden steht am Burgberg eine alte Villa, die häufig auch als „Geistervilla“ bezeichnet wird. Sie sieht nicht nur gruselig aus, sondern ist auch Ausgangspunkt für einige Mythen: So wird gesagt, dass die Villa in Verden um 1850 erbaut wurde, obwohl sie auf einer Karte von 1904 nicht verzeichnet ist. Daher muss sie entweder später gebaut oder ein unangemeldeter Schwarzbau gewesen sein – wann genau die Villa auftauchte, bleibt weiter unklar. Klar ist jedoch, dass dort unter anderem zwei Schwestern wohnten, die für die Menschen des Dorfes schneiderten. Doch diese zogen irgendwann aus und als Mitte der 1970er Jahre die letzten Bewohnerinnen und Bewohner* die Villa verließen, wurde der verlassene Ort in Niedersachsen zum großen Anziehungspunkt für Urbexer.
Wal-Mart (Osterholz-Scharmbeck)
Dieser Lost Place in Osterholz-Scharmbeck entstand durch den Konzern Metro. Dieser übernahm 2007 alle Wal-Mart-Filialen und wandelte den Großteil davon in Real-Märkte um – jedoch nicht alle. Der Wal-Mart in Osterholz-Scharmbeck blieb leer. Nachdem er 2014 nicht mehr zu dem Metro-Konzern gehörte, wurde das Gebäude zeitweise als Lagerhalle genutzt, aber bis heute bleibt es ein Leerstand.
Übrigens: Da das Weitersagen von Lost Places in der Urbex-Szene nicht gerne gesehen ist, sind hier nur bereits bekannte verlassene Orte aufgelistet. Weiterhin haben diese Listen der Lost Places in Bremen und Umgebung keinen Anspruch auf Vollständigkeit und können sich natürlich stetig ändern.
Vorab muss betont werden, dass die ungenehmigte Erkundung von Lost Places rechtliche Konsequenzen mit sich bringen kann. Einbruch, Diebstahl oder Sachbeschädigung der Lost Places sind eine Straftat. Hinzu kommt, dass es oft nicht ungefährlich ist, diese Orte zu betreten, da sie in der Regel alt, verfallen und verwildert sind. Beachten Sie daher Folgendes:
1. Zutritt nur mit Erlaubnis
Für einige Lost Places gibt es offizielle Touren und Führungen, die Sie mitmachen können. Wollen Sie einen Lost Place erkunden, für den es keine Touren oder Ähnliches gibt, sollten Sie sich vorher eine Genehmigung einholen. Erhalten Sie keine Genehmigung, so ist dies zu akzeptieren.
2. Nicht weitersagen
Geheimhaltung von Lost Places ist Ehrensache. Haben Sie einen möglicherweise noch unbekannten Lost Place entdeckt, so ist es Teil des Kodexes der Urbex Community, dass Sie den Fund für sich behalten. Schließlich wollen Sie anderen nicht die Freude beim Entdecken nehmen.
3. Nimm nichts mit außer Fotos
Erhalten Sie Zugang zu einem Lost Place, so verhalten Sie sich respektvoll. Auch wenn der Reiz groß sein kann, sich Souvenirs mitzunehmen, so ist dies verboten und bleibt auch mit Genehmigung zur Erkundung Diebstahl. Nehmen Sie also nichts mit außer Fotos.
4. Hinterlasse nichts als Fußspuren
Ebenso wie nichts mitgenommen werden sollte, sollte auch nichts hinterlassen werden. Achten Sie darauf, dass Sie nichts verändern und bei längeren Erkundungstouren den Müll von eventuell mitgebrachter Verpflegung wieder mitnehmen.
5. Töte nichts als Zeit
Da Lost Places oft sehr lange leer stehen, verwildern sie mit der Zeit. So kann es passieren, dass sich dort Tiere einnisten. Es sollte sich von selbst verstehen, dass Sie Abstand halten, diesen Tieren nach Möglichkeit ausweichen und sie zufriedenlassen.
6. Vorsicht & Vorbereitung
Sie sollten gut vorbereitet sein und eine Taschenlampe mitnehmen oder Ihr Handylicht verwenden, um mögliche Gefahren in den dunklen Lost Places zu erkennen und Verletzungen vorzubeugen. Kerzen und offenes Feuer sind aufgrund von Brandgefahr verboten. Oft droht bei verlassenen Gebäuden auch Einsturzgefahr, daher gilt immer: Betreten auf eigene Gefahr!
7. Andere Urbexer & Personen
Beim Betreten dieser „Geisterhäuser“ kann es passieren, dass Sie auf andere Personen treffen. Vielleicht sind dies auch Urbexer und folgen wie Sie respektvoll dem Reiz der Lost Places. Es kann aber durchaus mal nicht der Fall sein, da verlassene Gebäude häufig auch von Vandalismus gezeichnet sind. Seien Sie vorsichtig und rufen Sie im Notfall die Polizei.
Unbekannte Orte zu erkunden, ist etwas Großartiges und durchaus reizvoll. Die Reise zu Lost Places lässt sich auch ideal mit anderen Aktivitäten wie Geocaching verbinden. Und falls Sie doch ein Andenken an Ihre Reise mitnehmen wollen, so können Sie dies mit Souvenirs aus Bremen & Bremerhaven tun.
* Wir leben Diversität und heißen alle Menschen willkommen, unabhängig von Herkunft, Geschlecht, Behinderung und Identität. Wir sind davon überzeugt, dass uns Vielfalt bereichert und im gemeinsamen Arbeiten voranbringt. Deshalb haben wir 2017 die Charta der Vielfalt unterzeichnet.